Der Sternenhimmel - Astronomie und Astrologie

Diane Neisius

Vortrag vom 18. 02. 2002 im Bastet und Tefnut Iseum

Inhalt

Einführung
Sternbilder und Tierkreiszeichen
Das heutige wissenschaftliche Weltbild
Die heutige Astrologie
Schluß und Anregung
Referenzen / Anhang

Einführung

In der heutigen Zeit wird die Sterndeuterei ganz allgemein mit den Menschen in Verbindung gebracht, die ihre Nächte am Fernrohr sitzend verbringen. Leider ist das aber nicht so, und ein Hobbyastronom, der irrtümlich von jemand wegen eines Horoskops angesprochen wird, gibt in einigen Fällen eine entrüstete Tirade über diesen "Unfug" von sich.
Es lohnt daher zunächst einmal, zu durchleuchten, was die Astronomie von der Astrologie unterscheidet. Beide Bezeichnungen tragen die Silbe "Astro" in sich, die "Stern" bedeutet; "Nomos" dagegen bedeutet soviel wie "Name", "Ordnung", während "Logos" der "Sinn" von etwas ist. Also ist Astronomie die Wissenschaft, deren Jünger Sterne angucken und ihnen Namen und eine Ordnung geben, während die Astrologen versuchen, in dem Geschehen am Himmel einen Sinn zu sehen.
Ursprünglich waren diese beiden Disziplinen eins. Vor 3000 Jahren, in Mesopotamien, beobachteten nachts von den Tempeldächern aus Priester den Himmel, zunächst aus ganz praktischen Gründen wie der Bestimmung des günstigsten Zeitpunktes für die Aussaat des Getreides. Aus dieser Notwendigkeit entwickelte sich der Kalender. Schon bald aber versuchte man nicht nur aus dem jährlichen Lauf der Sonne, sondern auch aus der Beobachtung der "Wandelsterne" Voraussagen der aktuellen Geschehnisse zu gewinnen.
Als unerläßlich erwies sich dazu eine genaue Vermessung der Sternbilder. Es war dies die Geburtsstunde der Mathematik, und nicht zufällig tauchen im Zusammenhang mit Kreisen und Zeitmessung so häufig die Zahlen 12, 60 und 360 auf. In Mesopotamien verwendete man nicht wie wir 10, sondern 60 als Basis des Zahlensystems.
Derlei Voraussagen zogen allerdings schon bald das Interesse der weltlichen Herrscher auf sich, und daher wurden auch die Einzelschicksale von Königen aus den Sternen zu deuten versucht. Das war die Geburtsstunde des individuellen Horoskopes.
Diese von Priestern betriebene Kunst, den Lauf der Wandelsterne zu verfolgen, zu berechnen und zu deuten ist somit die älteste Wissenschaft der Menschheit, eine gemeinsame Wurzel der Mathematik, der Astronomie und der Astrologie (als Priesterin der Göttin, Mathematikerin, Hobby-Astronomin und Gelegenheits-Astrologin steht die Autorin also in einer sehr alten Tradition).
In dem vorliegen Vortrag nun soll es darum gehen, wie sich in der heutigen Zeit diese alten Teilwissenschaften voneinander entfernt haben. Das beginnt zuerst einmal ganz buchstäblich, indem wir untersuchen, wie sich die Tierkreiszeichen der Horoskope gegen die sichtbaren Sternbilder am Himmel verschoben haben.
Anschließend betrachten wir, wie sehr sich unser Bild vom Universum als Ganzes gegenüber der Antike verändert hat und inwiefern das in die "Sinnsuche" eingehen kann.
Dann wenden wir uns der Astrologie zu und durchleuchten die Sinnsuche mit Hilfe eines modernen Horoskopes; wir werden auch die Frage stellen, ob Himmelsbeobachtung dazu noch hilfreich ist.
All das wird am Schluß in Anregungen zum eigenen Weitermachen münden.

Sternbilder und Tierkreiszeichen

In der Einführung war schon die Rede davon, daß sich die Sternbilder und die Tierkreiszeichen gegeneinander verschoben haben. Sternbilder? Tierkreiszeichen? Ist das nicht dasselbe, werden jetzt sicher einige Leser fragen.
Die Antwort ist, nein. Es gibt einen Unterschied zwischen dem, was am Himmel zu sehen ist, und dem, was für Horoskope benutzt wird. Die Autorin verwendet die Bezeichnung "Sternbild" für das, was am nächtlichen Himmel in Form von mehr oder weniger zusammenhängenden Gruppen zu sehen ist, und die Bezeichnung "Tierkreiszeichen" für das, was in der Astrologie verwendet wird, um ein Horoskop zu berechnen. Beides ist nicht dasselbe.
Was ist denn nun ein Tierkreiszeichen? Wenn ich im "Krebs" geboren bin, bedeutet das nicht, daß irgendwas zum Zeitpunkt meiner Geburt mit dem Sternbild Krebs zusammenhing?
Nun, wenn ich astrologisch ein Krebs bin, dann stand die Sonne zum Zeitpunkt meiner Geburt in einem bestimmten, 30 Grad großen Abschnitt des Himmels, und zwar im vierten, wenn man von der Frühlinstagundnachtgleiche rechnet. Von diesen Abschnitten gibt es 12 Stück einmal rund um den Himmel.
Vor 3000 Jahren nun, als die Astro-Wissenschaft in Mesopotamien begründet wurde, stand jeweils eines der 12 Sternbilder entlang der Linie, an der die Planeten über den Himmel wandern (die wird "Ekliptik" genannt), genau passend zu einem dieser 30-Grad-Abschnitte. Man nahm daher für die Abschnitte einfach die Namen der Sternbilder, obwohl das strengenommen nicht dasselbe ist. Unter anderem sind die Sternbilder nämlich nicht alle genau 30 Grad groß.
Wie kann sich das nun verschieben? Wandern die Sterne doch, obwohl wir in der Schule gelernt haben, sie seien "fix", also fest?
Natürlich stehen die Sterne fest. Aber wir Menschen vergessen zu leicht, daß wir uns auf einer bewegten Erdkugel befinden. Und diese Erdkugel dreht sich nicht ganz gleichförmig. Vielleicht kennt der eine oder andere Leser aus seinen oder ihren jungen Jahren noch diese Kinderkreisel, die man aufziehen konnte und dann auf den Boden setzen, wo sie eine Art "Eiertanz" aufführten, ehe sie ausliefen. Dieses "Eiern" macht jeder Kreisel, der nicht ganz genau gerade steht. Man nennt es "Präzession". Auch die Erde tut das! Die Erdachse steht ja schief, was gerade unsere Jahreszeiten erzeugt; und deshalb "eiert" auch die Erde bei ihrer Drehung um sich selbst. Nun ist unser Planet sehr groß (jedenfalls im Vergleich mit einem Brummkreisel), deshalb ist auch die Eier- oder Präzessionsbewegung entsprechend langsam; "einmal herum" dauert ungefähr 25800 Jahre. Dieser Zeitraum heißt ein Großes oder Platonisches Jahr.
Was für sichtbare Auswirkungen hat diese Präzession genannte Eierbewegung? Zunächst einmal verschiebt sie nur die Jahreszeiten gegen die fest stehenden Sterne. In, sagen wir, 10000 Jahren wird man in einer Sommernacht also ganz andere Sternbilder sehen als heute, nämlich die, die wir heute in einer Winternacht sehen. Und was hat das nun mit den Tierkreiszeichen zu tun?
Die Tierkreiszeichen, das wurde oben schon beschrieben, sind 30 Grad große Abschnitte des Himmels, die ab dem Punkt, an dem die Sonne am Tag der Frühlingstagundnachtgleiche steht, gerechnet werden. Die Frühlingstagundnachtgleiche ist aber an die Jahreszeiten gebunden! Also verschieben sich auch unsere Abschnitte mit der Präzession der Erddrehung, und deshalb stimmen sie heute, 3000 Jahre nach der Namensgebung, nicht mehr mit ihren Sternbildern überein.
Wenn ich also ein "Krebs" bin, oder im "4. Abschnitt" geboren, dann ist das eine Aussage, die an die Jahreszeiten gebunden ist. Sie bedeutet, daß ich im Sommer geboren wurde. Das war auch in der Antike so, und das wird auch in 10000 Jahren noch so sein: ein Krebs ist immer ein Sommerkind, egal, wie weit weg die Sonne dann im Sommer vom Sternbild Krebs steht.
Der Punkt, an dem die Sonne am Tag der Frühlingstagundnachtgleiche steht, ist übrigens für beide Astro-Wissenschaften der "Nullpunkt", von dem aus gerechnet wird. Er wird auch Frühlingspunkt genannt oder Widderpunkt, weil an dieser Stelle der 1. Abschnitt der 30-Grad-Einteilung beginnt, der vor 3000 Jahren seinen Namen vom Sternbild Widder bekommen hat. Dieser erste Abschnitt, das Tierkreiszeichen (Achtung: nicht Sternbild!) Widder, wandert also langsam an den Sternen vorbei, mit einer Geschwindigkeit von ungefähr einem Grad pro 70 Jahren. Das ist der Grund, warum Sternkarten immer mit einer Jahreszahl gekennzeichnet sind ("Epoche") und Sternatlanten etwa alle 50 Jahre neu herausgegeben werden.
Es ist auch der Grund, warum man bei Verwendung astrologischer Hinweise aus sehr alten Büchern vorsichtig sein muß; verwendet man beispielsweise die Fixsternsympathien aus Agrippa von Nettesheims "De Occulta Philosophica" [1], die 1531 erschienen ist, so muß man berücksichtigen, daß alle Sternpositionen rund 470 Jahre alt sind, d. h. fast 7 Grad gegenüber einer modernen Karte zurück liegen.
Noch ein anderes Stichwort soll an dieser Stelle gegeben werden, nämlich "Zeitalter". Man hört gelegentlich davon, daß der Beginn des "Wassermannzeitalters" entweder nahe ist oder gerade stattfindet. Dieser Begriff hängt ebenfalls mit der Präzession und der Wanderung des Frühlingspunktes durch die Sternbilder zusammen.
Das Zeitalter gibt nämlich immer genau an, an welchem Sternbild der Frühlingspunkt gerade vorbeiwandert. Wie wir an einer aktuellen Karte sehen können, ist das immer noch das Sternbild Fische. Wir leben also immer noch im Fische-Zeitalter und werden das auch noch eine Weile tun. Da beide Sternbilder, Fische und Wassermann, sehr groß sind und das eine nördlich der Ekliptik, das andere südlich liegt, wird der Übergang auch nur ganz allmählich erfolgen und Jahrhunderte in Anspruch nehmen, sein Höhepunkt liegt noch einige Grad voraus. Ganz bestimmt hat also das Wassermann-Zeitalter nicht 1968 auf dem Woodstock-Festival begonnen und auch nicht am 1. 1. 2001.

Das heutige wissenschaftliche Weltbild

In der Antike, als sich die Kunst der Sternbeobachtung und Sterndeutung gerade erst entwickelte, war sehr wenig vom Universum bekannt. Man hatte zum Beobachten ja nur das freie Auge zur Verfügung, kannte also neben Sonne und Mond nur noch Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn. (Uranus, der zumindest zeitweilig mit bloßem Auge sichtbar sein kann, war in Mesopotamien nicht bekannt, es gibt aber Hinweise darauf, daß er möglicherweise in einigen der indianischen Hochkulturen schon beobachtet worden ist.)
Mithin wußte man damals noch nicht einmal vom ganzen Sonnensystem (fraglich ist, ob wir das schon tun), obwohl spätestens in der griechischen Antike ansonsten "richtige" Vorstellungen herrschten (Aristarchos: Sonne im Mittelpunkt, Erde ist eine Kugel, die darum kreist wie die Planeten), auch wenn diese Vorstellungen in der Spätantike und im Mittelalter wieder verlorengingen. Bekannt war also nur das Sonnensystem bis zum Saturn, und dessen Beobachtungen setzte man für astrologische Voraussagen ein. Das änderte sich nicht bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.
Heute hat sich unser Horizont erweitert. Wir wissen durch Beobachtungen mit Fernrohren, daß es weitere Planeten im Sonnensystem gibt und viele kleinere Körper. Wir wissen, daß die Sterne weit entfernte Sonnen wie unsere Sonne sind. Beispielsweise liegen die beiden hellsten Sterne im bekannten Sternbild Orion (das in Winternächten funkelnd im Süden steht), Beteigeuze und Rigel, etwa 600 Lichtjahre [a] von uns entfernt; die Gürtelsterne sind 1400 Lichtjahre entfernt, und die Gasnebel im Schwert etwa 1900 Lichtjahre.

Das Sternbild Orion

Wir wissen, daß unser Sonnensystem mit einer Unzahl anderer Sonnen eine riesige abgeflachte Sternwolke bildet, die Milchstraße; und wir wissen auch, daß unsere Sonne relativ weit am Rand der Milchstraße liegt. Wir haben beobachtet, daß sich in bestimmten Gebieten aus Gasnebeln neue Sterne bilden, beispielsweise im Sternbild Orion; und wir haben vermessen, daß der Mittelpunkt der Milchstraße im Sternbild Schütze liegt. Es könnte daher interessant sein (vielleicht unter dem Aspekt "Geburt" oder "Mittelpunkt"?), zu welchem unserer 30-Grad-Abschnitte oder Tierkreiszeichen diese Sternbilder gehören.
Die Spirale der Milchstraße ist aber nur eine Sternwolke von vielen. Mit dem Andromeda-Nebel und einigen kleineren bildet sie ein noch größeres Gebilde, die "Lokale Gruppe". Obwohl die Bewegungen in dieser riesigen Gruppe sehr langsam sind, könnte es dennoch interessant sein, in welchen Tierkreiszeichen all die anderen Milchstraßen stehen.
Aber die Lokale Gruppe ist noch nicht das größte Gebilde, das wir kennen. Mit vielen anderen Gruppen und Haufen von Milchstraßen bildet sie einen Superhaufen, ein gigantisches langgezogenes Gebilde, dessen Mittelpunkt von uns aus gesehen im Sternbild Jungfrau liegt.
Und auch von diesen Superhaufen gibt es wieder viele andere; gleich langgezogenen Spinnweben bilden sie ein dünnes Geflecht aus Milchstraßen im sichtbaren Teil des Universums zwischen großen leeren Blasen, in denen es fast keine Materie gibt. Der Teil des Universums, den wir sehen können, weil das Licht seit dem Urknall genug Zeit hatte, bis zu uns zu reisen, ist von diesen Spinnweben erfüllt. Und es gibt keinen Grund anzunehmen, daß das jenseits des "Lichthorizonts" anders ist.
Im größten Maßstab ist das Universum also ziemlich "gleichförmig", und es lohnt vermutlich nicht, es in astrologische Betrachtungen mit einzubeziehen. Aber die Richtung großer Objekte wie des Mittelpunktes des Virgo- Superhaufens, der Andromedagalaxie oder des Mittelpunktes unserer eigenen Milchstraße ist möglicherweise interessant. Die Bewegung all dieser riesigen Objekte ist allerdings so langsam, daß man sie innerhalb unserer Lebensspanne getrost als stillstehend (im Bezug auf die Fixsterne) ansehen kann.

Die heutige Astrologie

Nun haben wir uns so lange mit dem beschäftigt, was am Himmel zu sehen ist, daß jetzt die Frage naheliegt, was eigentlich an Sinn dahintersteckt.
Für die Menschen in der Antike war diese Frage einfach zu beantworten. Für sie waren die Sterne Zeichen, die von den Göttern im Himmel gesetzt wurden, um den sternkundigen Priestern Hinweise zu geben.
Heute, in einer technisch-wissenschaftlichen Kultur, ist das nicht mehr so einfach. Wir wissen, daß die Planeten Körper wie die Erde sind, die sehr weit entfernt sind. Mit physikalischen Meßgeräten gemessen, hat höchstens noch der sehr nahe Mond einen Einfluß auf die Erde, etwa Ebbe und Flut, im Mittel 3 Meter hohe Wasserberge auf den Ozeanen, die, vom Mond angezogen, um die Erde herumlaufen. Die steifere feste Erde verformt sich nur einen halben Meter in Richtung Mond, und alle anderen Planeten verursachen nur Verformungen im Millimeter-Maßstab. Mittels physikalischer Kräfte ist also nicht mit einem Einfluß der Himmelskörper auf uns zu rechnen.
Aber vielleicht hieße das ja sowieso, das Pferd am Schwanz aufzuzäumen. Beispielsweise zeigt eine Armbanduhr ja auch durch ihre Bewegung die Zeit an. Nun wird es dem aufmerksamen Beobachter auffallen, daß er in der Regel gegen Mittag, wenn beide Zeiger der Uhr sich an der "12" treffen, Hunger bekommt. Bei langfristiger Beobachtung trifft das ziemlich zuverlässig ein, und es wird sogar eine gewisse Voraussage möglich sein - "Aha, bald treffen sich die Zeiger an der 12. Ich werde also Hunger bekommen."
Käme nun ein vernünftig denkender Mensch auf die Idee, die Zeiger der Armbanduhr würden durch irgendwelche seltsamen Kräfte den Hunger verursachen? Doch wohl kaum! Die Zeiger zeigen die Tageszeit an, und der Körper, der seinem eigenen Tagesrythmus folgt, entwickelt aufgrund dieses Rythmus Hunger. Beide Vorgänge sind kausal getrennt, aber dennoch läßt sich eine Armbanduhr recht zuverlässig für Voraussagen dieser Art verwenden. Anderenfalls würde sie wohl kaum von so vielen Menschen getragen werden.
Das Sonnensystem ist nun im Prinzip auch nichts weiter als eine solche (aber eindrucksvoll große) Uhr. Die Zeiger, die Planeten, müssen also gar nicht irgend etwas "ausstrahlen", um für Horoskope oder ähnliches verwendbar zu sein. Man muß lediglich das Postulat zulassen, daß es im Universum Rythmen einer übergeordneten Art gibt, denen auch wir unterworfen sind und die wir mit unseren Geräten (noch) nicht messen können.
So arbeitet auch die heutige Astrologie. Astrologen beobachten deshalb auch nicht mehr die Sterne, sondern verwenden berechnete Tabellen der Planetenpositionen (sogenannte "Ephemeriden") für ihre Horoskope. Die Ausdeutung der Horoskope erfolgt dabei im allgemeinen mit Hilfe der überlieferten Bedeutungen der Stellungen der Planten untereinander und in den Tierkreiszeichen. Diese sind seit der Antike bekannt und sind durch inzwischen 3000 Jahre Beobachtung und Vergleich mit Ereignissen empirisch weitgehend abgesichert.
Das heißt, jedenfalls für die seit der Antike bekannten Planeten. Für die erst in der Neuzeit entdeckten Himmelskörper liegen noch nicht soviele Beobachtungen vor. Der Neptun zum Beispiel hat seit seiner Entdeckung im Jahr 1860 noch nicht einmal eine ganze Umkreisung der Sonne hinbekommen, weil er sich so langsam bewegt! Wie soll man ihm da eine ähnlich gewichtige Bedeutung zukommen lassen wie den schon lange bekannten Planeten?
Und noch schlimmer ist es mit den zahllosen kleinen Körpern im Sonnensystem. In jeder einschlägigen Buchhandlung bekommt man inzwischen Ephemeriden von nahezu jedem kleinen Felsen, der die Sonne auf irgendeiner halbwegs regelmäßigen Bahn umkreist. Zum Teil sind das Körper, die erst vor wenigen Jahren oder Jahrzehnten entdeckt worden sind. Wie soll man jetzt schon wissen, welche Rythmen ihre Umlaufbahnen anzeigen?
Das ist ein Punkt, an dem der Autorin die moderne Astrologie zu weit geht; sie selbst verwendet denn auch nur die "antiken" Planeten und ihre Zuordnungen, die lange genug verfolgt worden sind, für ihre Horoskope. Das ist quasi die antike Astrologie; die moderne Astrologie ist hier zu einer reinen "Schreibtischwissenschaft" verkommen, die mit Naturbeobachtung nichts mehr zu tun hat.
Nun haben wir gesehen, daß Beobachtung wegen der Verschiebung von Sternbildern und Tierkreiszeichen für die direkte Deutungsarbeit keinen Sinn mehr macht. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß die Priester in der Antike sehr wohl so gearbeitet haben, direkt vom Himmel "abzulesen", und daß deshalb der Sichtbarkeit der Objekte eine weit größere Bedeutung zukommt, als es allein aus Tabellen abzuleiten ist.
Deshalb sollte sich jeder, der sich ernsthaft mit Astrologie beschäftigen will, anfangs auch eine ganze Zeitlang den Himmel beobachten und versuchen, jeden der Planeten wenigstens einmal am Himmel gesehen zu haben! Man bekommt ein ganz anderes Gefühl für den Sinn hinter den Ausdeutungen; denn sicher haben doch auch unsere Vorfahren in der Antike den Zyklen der hellsten Himmelskörpern auch die wichtigsten Rythmen zugeordnet - einmal von der ästhetischen Brillianz und Erhabenheit abgesehen, die dem nächtlichen Himmel innewohnt und die wahrzunehmen ein eindrucksvolles Erlebnis ist.
Auch die Sternbilder der Ekliptik, die vor 3000 Jahren den 30-Grad Abschnitten des Tierkreises ihre Namen geliehen haben, verdienen deshalb, am nächtlichen Himmel wenigstens einmal gesucht zu werden (jedenfalls die größeren, nicht alle sind leicht zu finden). Für astrologische Arbeit mögen sie heute belanglos sein, aber es ist für das Gefühl für die Tierkreiszeichen sehr erhellend, ihre Namensvettern am Himmel einmal zu sehen - und, wie im Fall von Stier, Zwilling, Skorpion oder Löwe direkt zu sehen, wie die Namensgebung inspiriert wurde.
Man erkennt dann auch fast von selbst, warum die Sonne in ihrer enormen Strahlkraft eine so überragend wichtige Bedeutung hat als Zentrum der Lebenskraft, der Mond die zweitwichtigste Sache, die Gefühlswelt und die Träume mit allem was dazugehört beschreibt, und so fort. Und vielleicht würde dann mancher Schreibtisch-Astrologe nicht mehr soviel Wert auf die Bewertung der kleinen Körper legen, wenn er wüßte, daß sie mit bloßem Auge nicht zu sehen sind - und auch mit einem Fernrohr nur mit sehr viel Erfahrung zu finden.
Eine Tabelle mit den Helligkeiten der mit bloßem Auge sichtbaren astrologisch bedeutsamen Himmelskörper findet sich im Anhang [b].

Schluß und Anregung

Wir haben gesehen, daß die astrologische Deutung der Planetenstände relativ wenig mit dem Sternenhimmel zu tun hat - wenigstens heutzutage. Die Tierkreiszeichen sind an die Jahreszeiten auf der Erde gekoppelt und nicht an die Sternbilder, gegen die sie sich seit der Antike sogar verschoben haben. Astrologie ist also trotz des Namens eine sehr "irdische" Angelegenheit.
Gleichwohl ist sie durch Himmelsbeobachtung begründet worden, und das wird heutzutage zu leicht vergessen. Daher will die Autorin die Anregung geben, Sterne und Planeten zu beobachten, um ein besseres Gefühl für sie zu bekommen, ihr Strahlen, das, was in der Antike ihre ursprüngliche Bedeutung und Sinnfindung ausgemacht hat, ehe der oder die Interessierte sich mit Berechnungen, Tabellen und relativen Positionen am Schreibtisch beschäftigt.
Vielleicht bekommt der eine oder andere Leser auf diese Weise einen ganz eigenen, gewissermaßen intuitiven Zugang zu dem, was auch einmal einfach ein Teil der Natur war, den es zu beobachten galt.

Referenzen / Anhang
[1] Agrippa von Nettesheim, De Occulta Philosophica. Libri Tres.
     Mecheln, 1531.

[a] Ein Lichtjahr ist die Entfernung, die ein Lichtstrahl in einem Jahr zurücklegt. Das sind 9500 Milliarden Kilometer.

[b] Anmerkung: Helligkeiten von Himmelskörpern werden in "Größenklassen" gegeben. Diese Einteilung stammt gleichfalls aus der Antike; die hellsten Fixsterne am Himmel sind 1. Größenklasse, die gerade noch eben sichtbaren (bei klarer Luft und dunklem Himmel) von 6. Größenklasse. Natürlich muß man dann Objekte, die heller sind als die hellsten Sterne, als von 0. Größenklasse oder sogar mit negativen Größen bezeichnen.
Als kleines Beispiel möge wieder der Orion dienen: die beiden hellsten Sterne, Beteigeuze und Rigel, sind von 1. Größe, die Gürtelsterne 2. Größe. Auch die Sterne im Großen Bären sind überwiegend 2. Größe.

NameGrößeBemerkung
Sonne-26 
Mond -12max., Tage um Vollmond
Venus-4max. als Morgen- / Abendstern
Jupiter-2 
Mars-1max. während Opposition
Saturn  0max. mit voll beleuchtetem Ring
Merkur  1Dämmerung, schwer beobachtbar
Uranus  6max. unter optimalen Bedingungen

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